Abschied von der Quote? Die ZDF-Programmdirektoren probieren sich im „Digital First“

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Der öffentlich-rechtliche TV-Sender ZDF startet ein Experiment. Gegenstand sind die eigenproduzierten Serien „Schuld“ und „Das Team“. Die Versuchsleiter, sprich die Programmplaner, laden uns ein, die Sendungen vorab im Internet oder erst später bei Ausstrahlung im Hauptprogramm zu schauen. Wir Probanden/Zuschauer haben die Wahl, entweder linear zeit- und programmgebunden oder zu einem beliebigen Zeitpunkt über das Internet einzuschalten. Der Ausgang ist ungewiss, die Erschütterung im öffentlichen-rechtlichen Rundfunk spürbar. Jetzt stellt sich die Frage: Ist das wirklich nur ein Experiment oder erleben wir Gebührenzahler hier einen echten Paradigmenwechsel?

In jedem Fall ist es ein „Wir-haben-verstanden“-Fingerzeig des Senders an die jüngere, online-affine Zielgruppe, die nicht mehr ins Schema der festen Sendezeiten passt. Geopfert wird dafür die Quotenzahl, wenn am Ausstrahlungstag im TV weniger Zuschauer einschalten. Gewonnen werden valide Klicks in der Mediathek. Zudem bestätigt der Sender den Internetzuschauern ihre Mündigkeit, dann ein Programm sehen zu können, wann sie möchten.

Eine so freizügige Form der Programmplanung, mit der das ZDF nun erst auf Klick- und dann auf Quotenfang geht, ist definitiv zeitgemäß. Sie basiert auf der Erkenntnis, dass lineares Fernsehen die Jüngeren immer weniger erreicht. Durch alternative Angebote – angefangen bei YouTube bis hin zu Streaming-Anbietern wie Netflix – haben sich die Sehgewohnheiten rasant geändert. Es wachsen neue Ansprüche an die Unterhalter. Drei von vier Internetnutzern (73 Prozent) ab 14 Jahren schauen bereits Video-Streams. Dies entspricht rund 40 Millionen Bundesbürgern. Wer Videos streamt, verwendet dafür vor allen Dingen PC und Laptop. 99 Prozent der Streaming-Nutzer sehen sich darauf Serien und Filme an. Es folgen Smartphone (43 Prozent), Fernseher (39 Prozent) und Tablet Computer (22 Prozent) (Quelle BITKOM-Studie Die Zukunft der Consumer Electronics – 2014).

Vor allem Serien schaut diese Konsumentengruppe auch gern am Stück. Beim sogenannten Binge-Watching entscheiden die Zuschauer und nicht der Sender wann, wie und wo eine Folge und vor allem wie viele davon hintereinander angesehen werden.

Wir können aber jetzt erst mal gespannt zuschauen, wie das ZDF und andere deutsche TV-Sender das Experiment bewerten und ob das nichtlineare Fernsehen ab jetzt dem Zuschauer die Macht über die Fernbedienung lässt.

Ohne die Überlegungen der Programmplaner vorwegnehmen zu wollen, ist die Wahl zwischen TV und Online vermutlich längst gefallen – ein klares Unentschieden: Beide Verbreitungswege haben ihre Berechtigung, wobei das Internet durch Interaktivität und Möglichkeiten zu Zusatzinformationen per Second Screen den Weg in die Zukunft weist. Der Produzent von „Schuld“, Oliver Berben, stellte dazu unlängst fest: „Die Bereitschaft und der Mut derer, die investieren müssen, hat zugenommen. Weil man endlich merkt, dass durch neue Anbieter und sich ändernde Konsumgewohnheiten die Stimme des Zuschauers lauter geworden ist“.