
„Das Aussterben der Printlandschaft naht“, „Print ist tot“ oder „Das Ende der Print-Ära“. Schon Prognosen aus den frühen 2000ern prophezeiten das Ende der Zeitungen und Zeitschriften. Bis heute wird in Anbetracht der fortschreitenden Digitalisierung intensiv über die Zukunft der Printlandschaft diskutiert. Zwischen Optimismus und Pessimismus, denn ganz einig scheint man sich nicht zu sein. Ist eine Koexistenz von Online und Print zukünftig möglich oder muss sich das Printgeschäft komplett digitalisieren? Wir werfen einen Blick auf die aktuellen Entwicklungen und Trends.
Die Auflagenzahlen für das erste Quartal 2015, die von der „Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V.“ (kurz: IVW) publiziert und ausgewertet werden, zeigen deutliche Rückgänge bei Zeitungen und Zeitschriften, jedoch bei vermindertem Tempo. Für die 1.595 Publikumszeitschriften in Deutschland endete das erste Quartal 2015 mit einem Rückgang der durchschnittlich pro Ausgabe verkauften Exemplare um insgesamt 1,76 Prozent auf 98,94 Mio. Exemplare. Der Jahresvergleich ergibt insgesamt ein Minus von 5,18 Prozent der Gesamtverkäufe. Den aktuellen Auswertungsergebnissen von IVW zufolge konnten sich unter den Top-25 Titeln der deutschen Publikumszeitschriftenbranche im zweiten Quartal 2015 nur zwei steigern: Die „Landlust“ verkaufte knapp 16.000 Exemplare mehr als im Jahr zuvor, der „Focus“ ca. 3.500.
Das damit einhergehende Problem der Verlage: Die Anzeigenerlöse im Printgeschäft gehen mit den sinkenden Auflagenzahlen drastisch zurück. „Wir müssen unser Geschäftsmodell völlig neu denken“, erklärte dazu Veit Dengler, Chef der NZZ-Mediengruppe, bei einer Konferenz im Juni 2015. Deswegen sind viele Verleger auf der Suche nach neuen Erlösmodellen und präsentieren dabei die unterschiedlichsten Konzepte.
Beispiel Gruner und Jahr, der Flaggschiffe wie die Brigitte, den stern oder Schöner Wohnen verlegt: Anfang 2014 kaufte G+J 50 Prozent des Marketing-Dienstleisters „trnd„, der sich auf Word-of-mouth Marketing (Mundpropaganda) spezialisiert hat. Damit erweitert der Verlag einerseits sein Portfolio für Werbekunden. Außerdem sollen neue Einnahmen durch den Verkauf von Werbung an trnd-Kunden im Print-, Web- und auch Mobile-Bereich fließen.
Geschäftstüchtig erweist sich auch der Verlagsriese Burda, der seit kurzem Mode nicht nur zeigt, sondern auch verkauft. InStyle-Chefredakteurin Annette Weber hat für die Modemarke „(The Mercer) N.Y.“ eine Kollektion entworfen, die zum Beispiel auf „Lodenfrey“ erhältlich ist. „Mit der Kooperation nutzt InStyle ihre Modekompetenz und Markenstärke, um ein neues Erlösfeld zu erschließen und gleichzeitig auf einem zusätzlichen Weg mit den Konsumenten in Kontakt zu treten.“
Die Bauer Verlagsgruppe, die mehr als 40 Zeitschriften in Deutschland publiziert und Europas führender Zeitschriftenverlag ist, hat ein anderes Konzept umgesetzt. Auf dem Online Portal „Wunderweib“ bündelt das Verlagshaus gleich mehrere seiner Printerzeugnisse. Vor einigen Wochen hatten die großen Zeitschriften noch ihre eigenen Unterseiten, ein Relaunch im Juni vereinheitlichte die Website für alle Zeitschriften wie zum Beispiel „Avanti“, „Maxi“ und Co. Mit dem Projekt strebt Bauer die Reichweitensteigerung im gewinnverheißenden Online-Geschäft an.
Trotz sinkender Auflagenzahlen gibt es bei genauerem Hinsehen auch positive Entwicklungen im Printgeschäft. Insgesamt erschienen letztes Jahr 133 neue Zeitschriften und „nur“ ca. 100 Printmagazine verschwanden vom Markt. Einer Analyse von Statista zufolge nimmt die Anzahl an Publikumszeitschriften seit 1997 sogar jedes Jahr kontinuierlich zu. 2015 sind es nach den aktuellen Angaben von Landau Media bereits 59 Neuerscheinungen, darunter insbesondere Special-Interest-Zeitschriften, wie zum Beispiel das im März erschienene Printmagazin für vegane Mode und nachhaltigen Lifestyle „Noveaux„. Jahre lang waren die General-Interest-Zeitschriften die Erfolgsschlager der Verlage: Eine Zeitschrift, mehrere Themen, ein breites Publikum. Heute sprechen die Titel teilweise nur eine kleine Zielgruppe zu einem bestimmten Thema an.
Für die Verlage besteht also weiterhin die Aufgabe darin, sich den wandelnden Bedürfnissen der Leserschaft anzupassen und die Geschäftskonzepte multimedial auszurichten. Der VDZ-Trend-Umfrage zufolge ist die E-Paper Auflage 2014 um durchschnittlich 41 Prozent gestiegen – und das in mehr als zwei Drittel der Verlage. VDZ-Hauptgeschäftsführer Stephan Scherzer resümiert: „Die Investitionen in Print-Neugründungen und Diversifikation zeigen den positiven Geist der Verleger, die Vielfalt des Internets zu adressieren und gleichzeitig erfolgreich auf die Magazinwelt zu übertragen.“ Digitalisierung also, ohne dabei das Kerngeschäft aus den Augen zu verlieren. Ob die Verlage dieser Doppelbelastung standhalten können, wird sich zeigen.