
#GrabYourWallet. Ein Hashtag als Sinnbild für die aktuelle Stimmung unter vielen Konsumenten. Der Geldbeutel, er ist zum politischen Instrument geworden. Denn: Die fetten Jahre des unreflektierten Konsums sind vorbei. Unter Käufern findet ein Wandel zum bewussten Konsum statt, der langfristig Politik, Gesellschaft und Wirtschaft beeinflussen will. Politischer Konsum beschreibt ein gezieltes Kaufverhalten mit bewusster Botschaft: „Ich kaufe Produkte von Unternehmen, die für meine Überzeugungen eintreten. Wer dies nicht tut, bekommt auch nicht mein Geld.“.
In Zeiten des Überangebots ist eine Kaufentscheidung der wohl einfachste Weg, sich politisch zu engagieren: Wer an meinen Geldbeutel will, muss sich einer moralischen Prüfung stellen. Und dank globalisierter Märkte, Social Media und NGOs war es nie einfacher, die entscheidenden Informationen dafür zu bekommen.
Konsumenten erwarten ein ethisches Verhalten und sehen Hersteller in der Pflicht, sich auch für sozio-politische Anliegen einzusetzen. 44 Prozent gaben bei einer Trendstudie von J. Walter Thompson an, nur Produkte zu kaufen, die ihre eigene Haltung reflektieren. Unter der Gruppe der Millennials stimmten dieser Aussage sogar schon 53 Prozent zu. Gerade diese Altersgruppe wünscht sich auch überdurchschnittlich eine stärkere Partizipation von Marken in der Politik. In Zeiten, in denen immer mehr Menschen von Politik und Medien enttäuscht sind, kommt Unternehmen damit eine neue, deutlich weitreichendere Rolle zu: Sie werden zu wichtigen Treibern für die so ersehnten gesellschaftlichen Veränderungen. Wer diese Aufgabe annimmt, wird in Zukunft mit höherer Profitabilität belohnt.
Vor allem Großkonzerne befinden sich hierbei auf rutschigem Parkett, da sie Produkte oder Services für eine stark heterogene Zielgruppe anbieten. Dass sich Unternehmen und Marken in einer geradezu hyper-politischen Situationen befinden, zeigt sich am Beispiel der Ladenkette Nordstrom: Trump-Gegner riefen per Hashtag dazu auf, sämtliche Stores der Kette zu meiden, da diese die Produkte von Trumps Tochter Ivanka verkauften. Nachdem sich Nordstrom beugte und die Marke aus dem Sortiment nahm, sah sich der Retailer jedoch mit einem neuen Boykott konfrontiert: Trump-Befürworter verurteilten die Entscheidung Nordstroms. Gerade in der politisch aufgeheizten Lage bekommt ein Boykott also gerne einmal auch einen Gegenboykott.
Auch in Deutschland beobachten Konsumenten sehr wohl, was Unternehmen tun oder unterlassen. Jüngstes Beispiel: Die maritim-Hotelkette und der dort stattgefundene AfD-Parteitag. Eine Sprecherin bestätigte, dass die öffentlichen Proteste und Anfeindungen zu einem Imageschaden geführt hätten und man deshalb sehr genau prüfen wolle, ob solche Veranstaltungen künftig durchgeführt werden.
Möchten Unternehmen sich offen zu (sozio-)politischen Themen äußern, entscheidet ein Faktor über Erfolg oder Misserfolg dieser Strategie: Authentizität. Sind Statement oder Werbebotschaft nicht in wahrgenommenem Einklang mit dem Unternehmen, urteilt der politische Konsument schnell auf Eigennützigkeit. (Einige aktuelle Beispiele erfolgreicher und gefloppter Kampagnen wurden von Purpose Collaborative gesammelt).
Unternehmen müssen sich also ehrlich fragen: Muss ich mich zu einem aktuellen politischen Problem äußern und welche Konsequenzen kann das haben? Für welches Thema kann ich intern und extern authentisch eintreten und passt es auch langfristig zu meiner Unternehmensstrategie? Zusätzlich hilft ein tagesaktuelles Themen-Monitoring dabei, den Überblick über den öffentlichen Diskurs zu behalten. Gerade in politisierten Zeiten gilt umso mehr: Erst gut zuhören, dann sprechen!