In einer digitalen, anonymen Welt wird eins immer wichtiger: die Nähe zu den Ursprüngen. Das gilt auch für Lebensmittel. Im letzten Jahrzehnt wurden viele kleine Metzgereien und Bäckereien von großen Supermarktketten ersetzt. Jetzt zeigt sich die Gegenbewegung. Es soll vorbei sein mit bis zur Unkenntlichkeit eingeschweißten Produkten aus dem Supermarkt um die Ecke. Der neue Trend „Meet-Food“ treibt die Menschen zurück in die Hofläden und Traditionsmetzgereien, um einen Blick hinter die Kulissen zu werfen.
Das Thema Essen ist in den letzten Jahren präsenter und vielschichtiger geworden, manch einer spricht schon von einer Art Ersatzreligion. Es ist die Macht, endlich etwas kontrollieren zu können, denn bei der Dynamik der aufkommenden Food-Trends könnte man sich fast selbst verlieren. Sollte ich Paleo ausprobieren, bin ich ein Flexitarier oder etwa ein Freetarier? Esse ich falsch? Was darf ich überhaupt noch essen?
Meet-Food setzt genau an diese Entwicklung an mit dem Ziel, uns zu besinnen und auf die Suche nach der verlorenen Beziehung zu Lebensmitteln zu begeben. Angestoßen wurde die Bewegung von den sogenannten „Foodies“. Sie wollen ausprobieren, Hintergründe zum Produkt erfahren und wenn möglich sogar die Produktionsstätten ihrer Lebensmittel besichtigen. Lebensmittel sollen nicht mehr nur gegessen, sondern vielmehr erlebt werden. Viele Vertriebe und Produzenten sind auf die Trendwelle aufgesprungen und inszenieren ihre Arbeit als Show. So lassen sie Konsumenten am ganz besonderen Prozess teilhaben und können diese von ihrer Qualität und ihrem Handwerk überzeugen. Sie geben den Kunden die Möglichkeit, eine Beziehung zum Produkt aufzubauen und es wieder mehr wertzuschätzen. Wer sich hier gut vermarkten kann und sein Handwerk in den Vordergrund stellt, ist klar im Vorteil. Aus der einfachen Käse-, Brot- oder Weinproduktion entsteht ein großes Event mit anschließender Verkostung. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.
Das beste Beispiel hierfür: die Bäckerei Hardt aus Köln. Regelmäßig veranstaltet sie erfolgreich Backevents für Klein und Groß. Beim Kneten, Rollen und Rühren zeigt sich für viele zum ersten Mal, wie viel Arbeit und Mühe hinter einem einzigen Brot steckt. Am Ende kann jeder stolz auf sein Ergebnis sein: ein eigenes Brot mit viel Liebe und regionalen Inhaltsstoffen gebacken zu haben.
Wer im wahrsten Sinne des Wortes zu den Wurzeln zurück will, baut selbst an. Den aufkommenden Trend haben auch viele Landwirte für sich genutzt. Sie vermieten ihre bereits bestellten Felder an Interessierte. So geben sie Stadtmenschen die Chance, einen Schritt in Richtung Selbstversorgung zu wagen. Durch die langjährige Erfahrung und Unterstützung der Landwirte kann so jeder zum Gemüsegärtner werden. Wer jedoch kein ganzes Feld bewirtschaften will, dem kommt die Industrie anders entgegen. Unternehmen stürmen den Markt mit Innovationen, die den Konsumenten die Lebensmittel näher bringen sollen. So gibt es bereits einige kleine Gewächshäuser für die Großstadtfamilie. Die Samen werden in einen speziellen Topf gepflanzt, welcher sich mithilfe einer App mit den Personen verbindet. Sie werden so immer über die besonderen Bedürfnisse informiert, ohne großes Hintergrundwissen mitzubringen und können ihrer Pflanze mit Erfolgsgarantie beim Wachsen zuschauen.
Der Trend „Meet-Food“ fasst das aufkommende Interesse gegenüber den konsumierten Lebensmitteln in einem Begriff zusammen. Wohin sich der Hype entwickeln wird, ist unklar. Eins zeichnet sich jedoch deutlich ab: Lebensmittel sind mehr als nur ein reines Mittel zum Überleben und schaffen durch ihre sozialen Events den Gegentrend zur digitalen Anonymität.