Von Brexit bis Donald J. Trump – heutige Wahlen werden im Internet gewonnen. Einen besonderen Anteil daran haben soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter. Aufgrund ihrer hohen Reichweite, sowie der Tatsache, dass sie zur vielleicht wichtigsten Informationsquelle für politische Nachrichten geworden sind, gelten sie als wahlentscheidende Kommunikationskanäle. Damit einhergehend wächst jedoch ebenfalls die Sorge vor einer gezielten Manipulation innerhalb dieser Netzwerke.
Zwischen Meinung und Manipulation
Ein aktuelles Beispiel aus Deutschland zeigt, wie eine derartige Manipulation aussehen kann. Anfang September – im Vorfeld der Bundestagswahl – veröffentlichten verschiedene Accounts innerhalb von 24 Stunden über 6.000 Tweets mit überwiegend regierungskritischen Inhalten. Besonders auffällig: sowohl inhaltlich als auch zeitlich twitterten die beteiligten Accounts nahezu synchron, was auf den Einsatz sogenannter Social Bots hinweist. Diese Bots sind zunächst nichts anderes als automatisierte Programme, die vorgeben, ein menschlicher Nutzer zu sein. Entsprechend programmiert sind sie allerdings in der Lage, in hoher Frequenz Nachrichten zu veröffentlichen oder Inhalte befreundeter Accounts zu teilen. Dadurch nehmen sie zunehmend Einfluss auf die Kommunikation in sozialen Netzwerken.
Dieser Ansicht ist auch Luca Hammer, einer der führenden Datenanalysten im Bereich sozialer Netzwerke. Er hat im Vorfeld der Bundestagswahl verschiedene politische Debatten auf Twitter untersucht und konnte über 50 Prozent der an der Verbreitung politisch motivierter Inhalte beteiligten Accounts als Social Bots identifizieren. Eine derart hohe Beteiligung automatisierter Kommunikation sei bisher einmalig bei einem deutschsprachigen Thema, so Hammer.
Die Ergebnisse machen deutlich, dass manipulative Aktivitäten von Social Bots auf Twitter kein Einzelfall sind. Besonders problematisch in diesem Zusammenhang: Die Urheber der Bot-Netzwerke agieren in der Regel anonym und eine Identifizierung einzelner automatisierter Accounts ist ohne technische Hilfsmittel kaum möglich.
Eine Gefahr für die Demokratie?
Doch was bedeutet dies für die Öffentlichkeit und welchen Zusammenhang gibt es zwischen dem Einsatz von Social Bots und möglichen Wahlausgängen?Eine belastbare Antwort auf diese Fragen gibt es derzeit noch nicht. Betrachtet man den wissenschaftlichen Diskurs, variieren die Einschätzungen hinsichtlich der Auswirkungen automatisierter Kommunikation von ungefährlich und nicht relevant bis die Demokratie zersetzend. Als zumindest hinreichend gesichert gilt jedoch die Erkenntnis, dass die bloße Verbreitung bestimmter Inhalte für sich genommen noch nicht ausreicht, eine Änderung im Verhalten oder sogar der Wahlabsichten eines Rezipienten hervorzurufen.
Dennoch hat eine massenhafte und zielgerichtete Distribution Auswirkungen auf die Art der Kommunikation innerhalb sozialer Netzwerke, wie aktuelle Diskussionen um Fake News und Filterblasen beweisen. Untersuchungen belegen, dass eigene Meinungen seltener geäußert werden, wenn man mit einer vermeintlichen Übermacht gegensätzlicher Ansichten konfrontiert wird. Dadurch entstehen Echokammern, also virtuelle Räume, in denen eine vorherrschende Ansicht verstärkt, abweichende Ansichten jedoch bewusst oder unbewusst unterdrückt werden. In diesem ungleichen Diskurs liegt die tatsächliche Gefahr, nämlich immer dann, wenn Meinungen von Dritten ungefiltert übernommen und in das analoge Leben getragen werden.
Bot or not?
Die gezielte Manipulation durch Social Bots innerhalb sozialer Netzwerke ist also ein ernstzunehmendes Phänomen. Es könnte jedoch leicht durch die Netzwerke selbst eingeschränkt werden – beispielsweise durch die Kenntlichmachung von Fake News oder eine schnellere und verbesserte Identifizierung und Sperrung automatisierter Accounts. Und auch unabhängig von Twitter & Co. ist es möglich, sich in einer zunehmend digitalisierten Welt zurechtzufinden: Die Schulung und Erweiterung der eigenen Medienkompetenz gilt nach wie vor als das beste Mittel gegen gezielte Manipulationen und Propaganda im Netz.