Der Wohnraum wird knapper, die Mietpreise steigen. In Zeiten der Wohnungsnot ist es in den Ballungszentren nicht leicht, ein passendes und vor allem bezahlbares Zuhause zu finden. Das liegt mitunter an der steigenden Anzahl an Single-Haushalten, aber auch an dem Wachstum der Metropolen. Doch Not macht erfinderisch: Sogenannte „Tiny Houses“, also winzige Wohnhäuser, sind auf dem Vormarsch und stellen die geläufigen Vorstellungen von den eigenen vier Wänden in Frage.
Das „Tiny-House-Movement“ stammt ursprünglich aus den USA. Die Bewegung setzt sich für das Leben auf kleinem Raum ein und findet ihren Ausdruck in der Architektur. Mittlerweile haben die Tiny Houses längst Deutschland erreicht, vielleicht auch deshalb, weil sie eine Menge Probleme zu lösen scheinen. Sie stellen eine Alternative zu den gängigen Bau- und Wohnstilen dar und die Idee eines eigenen Hauses zum günstigen Preis reizt viele. Protzen ist out, Bescheidenheit ist in: Immer mehr Menschen wählen bewusst einen minimalistischen, reduktionistischen Lebensstil – so ist auch in Sachen Eigenheim ein neuer Trend entstanden.
Gut für die Umwelt?
Es gibt verschiedene Gründe, sich für ein Tiny House zu entscheiden. Die Konstruktion braucht nur wenig Platz und ist deutlich weniger zeitaufwendig als herkömmliche Bauweisen. Auch die benötigten Ressourcen und der Unterhaltungsaufwand sind überschaubar – vergleichsweise sind also nur relativ geringe Investitionen nötig, um den Traum vom Eigenheim wahr werden zu lassen. Eine hohe Verschuldung, die anderen Hausbesitzern oftmals über Jahrzehnte hinweg im Nacken sitzt, könnte damit vermieden werden. Das individualisierte Wohnen und die Möglichkeit der Mobilität, leicht umsetzbar durch einen fahrbaren Unterbau (Trailer), machen die Häuschen begehrt. Sie können außerdem einen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit leisten und die Umwelt schonen, da sie weniger Land verbrauchen und für den Bau oftmals ökologische Baustoffe eingesetzt werden. Außerdem sollen sie Energie und Wasser sparen. Teilweise ist es den Bewohnern sogar möglich, autark zu leben. Auf der anderen Seite bemängeln kritische Stimmen, dass beispielsweise zu dünne Außenwände eher zu einem erhöhten Energieverbrauch führen würden.
Individualisiertes Wohnen
In Sachen Einrichtung und Design sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt – vielmehr erfordert die Umsetzung meist ein gewisses Maß an Einfallsreichtum, um alles Notwendige unterzubringen. Das Angebot ist vielseitig, die Nutzung auch. Die Auswahl reicht von mobilen Häuschen auf Rädern über beschauliche Feriendomizile bis hin zu stationären individuellen Eigenheimen. An den Trend gekoppelt entwickeln sich auch Möbel zu Spezialisten und Allroundern weiter, denn auf einer eng begrenzten Wohnfläche müssen sie ganz bestimmte funktionale Anforderungen erfüllen. Jeder Quadratmeter soll effizient genutzt werden. Möbelstücke, die besonders viel Platz in Anspruch nehmen und gleichzeitig einen Großteil des Tages ungenutzt bleiben, sind besonders unvorteilhaft. Um trotzdem nicht auf sein gemütliches Bett verzichten zu müssen, ist kompaktes und vorausschauendes Design gefragt: Multifunktionalität spielt eine große Rolle. Sogenannte „Robotermöbel“ zum Beispiel sind mit spezieller Technik ausgestattet, die sie zu Verwandlungskünstlern werden lässt, damit aus Bett schnell Tisch werden kann und umgekehrt.
Fertighäuser vs. Do-It-Yourself
Eine pauschale Einschätzung der Kosten von Tiny Houses ist nicht möglich – je nach verwendeten Materialien, Ausstattung und Größe ergeben sich stark schwankende Preise. Ein grundlegender Unterschied besteht natürlich zwischen Eigenbau und Erwerb eines Fertighauses. Es gibt verschiedene Anbieter, mittlerweile auch in Deutschland, die die Mini-Häuser als Komplettpakete verkaufen. Sollte man sich gegen ein fertiges Tiny House und für ein eigenes Bauprojekt entscheiden, sollte der Aufwand des selbstständigen Baus allerdings trotz der kleinen Größe nicht unterschätzt werden. Auch rechtlich gesehen ist das Errichten eines Tiny House nicht ganz so unkompliziert, wie es die Internetauftritte einiger Anbieter vermuten lassen. Denn für den Bau der Mini-Häuser gibt es ebenfalls Vorschriften, die es einzuhalten gilt.
Ob die Kosten und der Aufwand in einem Verhältnis zum tatsächlichen Nutzen eines so kleinen Häuschens stehen, ist Ansichtssache. Trotzdem zeigen Tiny Houses, dass auch nur wenige Quadratmeter zum gemütlichen Zuhause werden können, auf dem es sich stillvoll leben lässt. Schlussendlich zählt das eigene Wohlbefinden und größer muss eben nicht immer besser bedeuten.