Der Katalog ist tot. Es lebe der Katalog.

Rund 700 Hochglanzseiten mit umfangreicher Warenwelt aus Mode, Elektronik und Einrichtung – so kennen wir den Otto-Katalog. Im Dezember 2018 wird er nach 68 Jahren nun zum letzten Mal versendet. Der Grund: Ottos Kunden bestellen online, der Haupt-Katalog hat ausgedient. Vor der Frage, inwiefern Printwerke die eigene Zielgruppe heutzutage noch auf die gewünschte Weise ansprechen, stehen viele Unternehmen. Interessant in diesem Zusammenhang ist aber, dass die beiden reinen Onlinehändler Amazon und Ebay sich in diesem Herbst erstmalig dazu entschieden, gedruckte Kataloge zur Vorweihnachtszeit in ihrem Heimatmarkt, den USA, zu verbreiten. Bleibt die Print-Ansprache also doch? Wie so oft gibt es kein „One-size-fits-all-Rezept“.

Das Cover des neuen Otto-Katalogs macht es deutlich: Das dort abgebildete Frauengesicht ist umrahmt von einem Smartphone. In einer Sprechblase steht „ich bin dann mal app“ mit entsprechendem Link auf die Homepage. Der Versandhändler ist heute ein E-Commerce-Unternehmen und setzt künftig auf Technologie für eine moderne, gezielte Kundenansprache. Die Digitalisierung macht es möglich: Ein Katalog im Format eines Telefonbuchs ist nicht mehr zeitgemäß und somit ebenso ersetzbar wie ein Telefonbuch. So wird es bei Otto also künftig kein großes Hauptwerk mehr geben, sondern nur noch Sonderkataloge.

Wer Katalog sagt, denkt unter Umständen auch schon mal „Ikea“, denn jährlich klemmt eine Sammlung der schwedischen Produkt-Highlights im Briefkasten. Ein Ende ist hier derzeit nicht in Sicht. Im Gegenteil: Das aktuelle Produktsortiment wird auf immerhin knapp 300 Seiten präsentiert. Interessant dabei: Dieser Katalog ist kein rein analoges Tool mehr. QR-Codes führen den digital-affinen Leser über sein Smartphone in die virtuelle Warenwelt. Und auch auf der Website selbst gibt es das Druckwerk zum Durchblättern per Mausklick. Sortiert ist es übrigens nicht nur nach Produktkategorien, sondern auch nach verschiedenen Wohnszenarien – „Ruhe in der Stadt“ oder „Wenig Quadratmeter, viel Individualität“. Wer eine Seite besonders spannend findet, kann sich online alle Details der dargestellten Produkte per Drag & Drop anzeigen lassen, mit optionaler Weiterleitung zum Bestellvorgang.

Die beiden amerikanischen Onlinehändler Amazon und Ebay versendeten dieses Jahr zur Vorweihnachtszeit erstmals Printwerke, die zum Einkauf animieren sollten. Sie bildeten dabei (natürlich) nicht das komplette verfügbare Sortiment ab. Die Kataloge umfassen lediglich um die 30 Seiten und enthalten ausschließlich Kinderspielzeug. Auch hier wird analog mit digital verknüpft: Per QR-Code oder Produktbild gelangt man in den Onlineshop. Überdies sind die beiden Broschüren auch online abrufbar.

Was passiert nun mit dem Katalog im digitalen Zeitalter? Zuerst: Er wird nicht komplett aussterben. Printwerke setzen nach wie vor wichtige Kontaktpunkte zu den Kunden und vermögen es, sie an eine Marke zu binden. Denn das gemütliche Blättern auf dem Sofa wirkt nicht nur inspirierend, sondern ebenso entschleunigend – was in einer immer schneller werdenden Welt als angenehme Abwechslung empfunden wird. Aber: Wie das Beispiel Otto zeigt, bietet unsere digitale Welt sehr viel effizientere Möglichkeiten der Zielgruppenansprache als den breiten Versand eines 700-Seiten-Werks an alle Haushalte. Käufer sind verschieden und so auch ihre Interessen. Wer sich für Technik interessiert, will möglicherweise keine Produktwerbung für Baby-Kleidung. Mit digitalem Wissen können Printwerke auf Wunsch der Empfänger individuell angepasst werden – und nach Bedarf auch wieder in die virtuelle Welt zurückleiten. In diesem Sinne: Der Katalog ist tot. Es lebe der Katalog.