Plastik ist in aller Munde. Vor allem in denen von Meeresbewohnern. Dieses Motiv nutzt eine große Umweltschutzorganisation in einer aktuellen, sehr eindringlichen Plakatkampagne. Mit einem Verbot von Plastikgeschirr, Trinkhalmen und Wattestäbchen will nun auch die EU gegen die Flut von Müll in den Weltmeeren vorgehen und umweltfreundlichere Alternativen fördern. Doch wie ernst ist die Lage?
Der Gesetzesentwurf, der voraussichtlich in zwei Jahren in Kraft treten wird, ist der radikale Weg, die Menschen zum Umdenken zu bewegen: Nach einer Studie der University of California wurden zwischen 1950 und 2015 weltweit rund 8,3 Milliarden Tonnen Kunststoff hergestellt – dies ergibt etwa 1 Tonne pro Kopf der Weltbevölkerung. Hiervon stammt die Hälfte allein aus den letzten 13 Jahren. Von dieser Menge landeten ca. 6,3 Milliarden Tonnen im Abfall, der nur zu einem Bruchteil von neun Prozent recycelt wurde. Rund zwölf Prozent wurden verbrannt und zu 79 Prozent verrottet das Plastik immer noch auf Müllhalden und reichert sich so in der Umwelt an.
In Deutschland wird laut Umweltbundesamt pro Einwohner sogar deutlich mehr Plastikmüll verursacht als im Durchschnitt der Europäischen Union. Mit 24,9 Kilogramm Plastikmüll pro Kopf im Jahr 2016 liegt die Bundesrepublik auf dem traurigen ersten Platz im Vergleich mit anderen EU-Ländern.
Der Pro-Kopf-Verbrauch an Plastik in Deutschland stieg allein zwischen 2005 und 2015 um 29 Prozent. Allerdings wird hier auch knapp die Hälfte des anfallenden Abfalls wiederverwertet, während die Recycling-Quote im
EU-Schnitt bei 40 Prozent liegt. Trotzdem gelangen in Deutschland laut dem Fraunhofer Institut pro Jahr rund 330.000 Tonnen Mikroplastik und etwa 116.00 Tonnen Makroplastik in die Umwelt. Ein Drittel der Menge an Mikroplastik entsteht übrigens allein durch den Abrieb von Reifen. Kunststoffverpackungen liegen auf Platz acht des Rankings zur Herkunft von Plastik in der Umwelt – sogar noch nach dem Abrieb von Schuhsohlen. Einmal in der Umwelt gelandet, bleibt der Plastikmüll dort auch eine ganze Weile, da sich Kunststoff vor allem durch seine Beständigkeit auszeichnet: Eine Plastikflasche weist die stolze Lebensdauer von 450 Jahren auf.
Diese Langlebigkeit gepaart mit Eigenschaften wie Formbarkeit, Elastizität, Härte, Bruchfestigkeit und Temperaturbeständigkeit sorgen seit den 1950er Jahren für einen wahren Siegeszug des Materials Kunststoff. Egal ob als Verpackungsmaterial, Textilfaser, Bestandteil von Kosmetika, Sportartikel, Medizinbedarf oder im Fahrzeugbau – unsere heutige Welt ist ohne Plastik kaum mehr vorstellbar. Vor allem Autos und Flugzeuge sind durch Kunststoffteile leichter sowie sparsamer im Verbrauch. So besteht der Airbus A350 zu 50 Prozent aus Plastik.
Was von dieser Masse an Kunststoff übrig bleibt, sieht man an den fünf riesigen Müllstrudeln in den Ozeanen. Einer davon heißt Great Pacific Garbage Patch und treibt zwischen Hawaii und Kalifornien auf 1,6 Millionen Quadratkilometern. Das ist eine Fläche viermal so groß wie Deutschland. Mit dem bloßen Auge ist dieser riesige Plastikstrudel allerdings kaum sichtbar, da er aus 1,8 Billionen Teilchen Mikroplastik besteht. Die Größe dieser schwimmenden Müllhalden ist erschreckend und dabei machen sie sogar nur einen Bruchteil des gesamten Plastiks in den Ozeanen aus: Von 99 Prozent des gesamten Plastikmülls im Meer kann niemand sagen, wo er sich gerade befindet. Forscher gehen darüber hinaus davon aus, dass rund 70 Prozent bereits am Grund der Ozeane liegen und damit außerhalb der menschlichen Reichweite.
Trotzdem – oder gerade deshalb – existieren viele verschiedene Projekte, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, den Plastikmüll effektiv aus den Meeren zu fischen. Viele kleinere Initiativen versuchen dies durch Upcycling umzusetzen. So kann der Verbraucher Armbänder produziert aus Plastikabfällen oder Socken aus herrenlosen Fischernetzen kaufen und damit seinen Teil zum Schutz der Umwelt beitragen.
Eines der bekanntesten Projekte heißt „The Ocean Clean Up“ und stammt von dem 24-jährigen Niederländer Boyan Slat. Während der aktuellen Testphase im Great Pacific Garbage Patch sollte ein drei Meter langes Netz an einem 600 Meter langen Schwimmkörper Müll aus dem Meer filtern. Allerdings bewegte sich die Anlage zu langsam im Wasser und konnte Plastikteile nicht wie geplant festhalten, um sie durch Schiffe einsammeln und an Land recyceln zu lassen. Nun muss das Testmodell nach weniger als drei Monaten zurück an Land geschleppt werden, weil sich ein 18 Meter langes Endstück gelöst hat.
Der beste Weg, Plastikmüll in der Umwelt und speziell in den Ozeanen zu vermeiden, wäre wohl immer noch, ihn gar nicht erst zu produzieren. Es bleibt abzuwarten, ob das geplante Verbot der EU von Plastikgeschirr, Trinkhalmen und Wattestäbchen die Industrie und vor allem den Verbraucher zum Umdenken anregen kann. Immerhin berichten aktuell viele Medien über den Trend zu einem neuen guten Vorsatz für das neue Jahr: Im Alltag so gut wie möglich auf Plastik zu verzichten. Und alleine das ist schon ein interessantes und herausforderndes Experiment für jeden Einzelnen.