Hey TV-Werbung, wir müssen über Gefühle reden

Fernsehwerbung – in bis zur 30 Sekunden tauchen wir mit bunten Bildern, poppigen Farben und flotten Melodien in unterschiedliche Welten ein. Wir werden zu Entdeckern langer Straßen durch scheinbar unberührte Natur, zu Seglern mit vom Wind zerzausten Haaren oder zu Partygängern auf Dachterrassen. Am Ende des Spots sind wir berührt – im besten Fall positiv, etwa, wenn er uns mit Gefühlen wie Leichtigkeit, Vertrauen oder guter Laune hinterlässt. Trotzdem: Wir werden heute jeden Tag mit bis zu 13.000 Werbebotschaften konfrontiert, weshalb es kaum wundert, dass 66 Prozent der Deutschen laut einer Studie des Forschungsinstituts Imas Fernsehwerbung als nervig empfinden. Und doch zeigt dieselbe Studie, dass Fernsehwerbung mit 69 Prozent nach Print am ehesten für eine Kaufaktivierung bei Konsumenten sorgt.

Interessant ist in diesem Kontext, wie Werbespots gestaltet werden sollten, damit sie sich aus der schieren Masse der täglichen Werbebotschaften abheben und die Aufmerksamkeit des Konsumenten erreichen. Dem Thema hat sich unlängst das Hamburger Forschungsinstitut System1 Research angenommen. Die Basis ihrer Erkenntnisse bilden Einschätzungen von insgesamt 1400 deutschen Studienteilnehmern im Alter von 18 bis 65 Jahren zu 14 unterschiedlichen Spots, wobei die zu bewertenden Kriterien nicht detailliert offengelegt werden. Das Potential der einzelnen Spots wird in Sternen gerankt – fünf können insgesamt erreicht werden. Die Studie liefert Anhaltspunkte dafür, was nervige Werbespots von Guten unterscheidet. Die zentrale Zutat lautet: Emotionalität. Für die Werbe- und Kreativbranche sollte dies ein wenig überraschendes Ergebnis sein, schließlich rücken Emotionen verpackt als Emotional Branding oder Emotional Advertising seit einigen Jahren immer wieder auf die Agenden von Werbungschaffenden und Kreativagenturen.

Als Sieger gehen die Spots von Ritter Sport, Meggle, KLM, Check24 und Almette vom Platz. Die Gestaltung dieser Werbefilme habe, laut System1 Research, das Potential, langfristig zum Markenanteilswachstum beizutragen. In der Kategorie Emotionalität stechen aber nur zwei der fünf Spots hervor: Meggle und Ritter Sport. Woran liegt das? Laut der Forscher ist es vor allem die Kombination aus Musik, gut gewählten Farben sowie authentischen Charakteren und Bildern, die es den Konsumenten nicht nur erleichtert, die Marke wiederzuerkennen. Sie trägt auch dazu bei, positive Emotionen zu wecken, was mitunter die größte Herausforderung ist, vor der Marken stehen. Denn meist steuern Emotionen unsere Kaufentscheidungen.

Emotionen sind Herdentiere – gilt das nun für jede Werbebotschaft?
Sind Emotionen somit die One-fits-All-Lösung für erfolgreiche Werbung und Markenpositionierung? Ein klares Ja oder Nein gibt es auf diese Frage nicht. Damit Kommunikation gelingt und Botschaften Wirkungen erzielen können, kommt es auf die richtige Komposition verschiedener Aspekte an. Ausschlaggebend für die Entwicklung und Gestaltung einer Werbebotschaft sollten neben der Marken- und Produktphilosophie die Empfänger der Botschaft sein. Vor Beginn der Gestaltung einer Werbebotschaft sollte also klar sein, welche Zielgruppe erreicht werden soll. Schließlich unterscheidet sich die Ansprache eines erwachsenen Publikums deutlich von der Ansprache einer jugendlichen Zielgruppe.
Viele Werbespots bewerben Produkte auf direkte Weise. Erfolgreiche Werbung hingegen weckt Aufmerksamkeit: Ein Spot, der durch intelligent gewählte Metaphern auf die Vorzüge eines Produkts hinweist (z.B. die Mercedes Benz Werbung „Magic Body Control“), gewinnt die Aufmerksamkeit des Konsumenten eher als eine platte Produktwerbung. Die Kunst ist es dabei, dass Werbeschaffende die Konsumenten beim Denken um die Ecke mitnehmen, indem die Metapher zum Produkt und dessen Vorteilen passt oder das Produkt in kurzen Sequenzen zu sehen ist.
Wer sich in seinem Werbespot Metaphern bedient, erzählt seiner Zielgruppe automatisch auch eine Geschichte. Damit Geschichten wirken, sollten sie gut gemacht sein. Als Kriterien für gute Geschichten gelten in der Praxis nicht nur die hier angesprochene Emotionalität, sondern auch die Wahl der Protagonisten der Geschichte. Hier zeigen vor allem Studien aus der Kommunikations- und Persuasionswissenschaft (persuadere (lat.) = überzeugen), dass Glaubwürdigkeit, Authentizität, soziale Attraktivität (Identifikationspotential und Sympathie) und sozialer Einfluss (Prominenz) der Charaktere eine wichtige Rolle spielen. Auf der Inhaltsebene relevant sind darüber hinaus Argumentationsstruktur und Verständlichkeit der Geschichte. Letztlich sollte man sich bei der Entscheidung, auf welche Art und Weise ein Produkt beworben wird, immer auf die eigene Marken- und Produktphilosophie besinnen. Bei Produkten mit sensiblen Themen, etwa im medizinischen Kontext, ist es beispielsweise angebracht, zu überlegen, ob eine faktenbasierte und objektive Werbebotschaft einem emotionalen Werbekonzept nicht vorzuziehen ist.

Heißt also: Emotionen sind vielleicht Herdentiere, ob aber jeder TV-Spot in die Gefühlskiste greifen sollte, sollte sowohl produkt- und strategie-, als auch zielgruppenabhängig sein.