tic tac gefällig? Oder lieber TikTok?

1969 brachte Ferrero seine Erfrischungsdrageés tic tac auf den Markt, zunächst aber unter dem Namen „Refreshing“. Die Umbenennung erfolgte erst Jahre später, vielleicht in Anlehnung an das Geräusch, das die Drageés erzeugen, wenn man sie in der handlichen Box schüttelt. Die Geschmackssorten Mint, Orange oder… Moment mal, hier geht es gar nicht um tic tacs.

Die Rede ist von TikTok. Vor etwa einem Jahr – genau genommen am 2. August 2018 – startete die chinesische Kurzvideo-App ihre Reise in die Play- und Appstores deutscher Smartphonenutzer. Bereits im dritten Quartal 2018 nahm TikTok Platz 1 der am häufigsten heruntergeladenen Applikationen ein. Und nun, 12 Monate später hat TikTok eigenen Angaben zufolge weltweit 800 Millionen Nutzer, 4,1 Millionen davon in Deutschland. Deutlich wird: TikTok hat sich bereits einen festen Platz in den Sphären der sozialen Netzwerke ergattert, wobei die Zusammenführung mit der App musical.ly durchaus einen Heimvorteil darstellt. Die Anziehungskraft geht dabei vor allem vom dargebotenen Content und dessen Entertainmentfaktor sowie von der einfachen Bedienung, die zum Mitmachen animiert, aus. War TikTok anfangs noch als Videoclipplattform für die Lippensynchronisation von Musikvideos gedacht, finden sich inzwischen unzählige Videos zu anderen Themen. Ob eigene Tanzvideos, kurze Sequenzen von den eigenen Haustieren, die Teilnahme an Challenges (dazu später mehr im Beitrag), das Erzählen von Witzen, oder, oder, oder – der Kreativität der Nutzer sind kaum Grenzen gesetzt. Und ist der eigene Beitrag erst einmal veröffentlicht, trägt das Bedürfnis nach Aufmerksamkeit für den eigenen Beitrag sein Übriges zur aktiven Nutzung bei. Übersetzt in Zahlen: Deutsche TikTok-Nutzer öffnen die App etwa achtmal am Tag mit einer durchschnittlichen Verweildauer von 39 Minuten. Das lässt die Frage zu: Welche Rolle spielt das soziale Netzwerk für die Kommunikation von Unternehmen und ihren Marken?

Die Zahl der Unternehmen, die bereits auf TikTok vertreten sind, ist im Vergleich zu anderen sozialen Netzwerken wie Facebook, Instagram oder Twitter eher gering. Und doch ist TikTok allein in Anbetracht seiner ca. 4 Millionen Nutzer in Deutschland ein Kanal, den es sich genauer anzusehen lohnt. Sollte sich die App nämlich weiterhin steigender Beliebtheit erfreuen, kann eine Early Adopter Rolle – so nennt man jene, die mit einer Neuheit als erstes experimentieren – von Vorteil und vor allem ein Vorsprung sein. Eingezogen ins TikTok-Universum sind beispielsweise schon deutsche Unternehmen wie 1Live und der 1. FC Köln, neuestes Mitglied in ihren Reihen ist BMW. Die Automarke schickte Anfang Juli 2019 mit einer exklusiven TikTok-Videokampagne für ihre neue 1er-Reihe TikTok-Influencer wie Sky and Tami, PatroX und FalcoPunch mit einer festgelegten Tanz-Choreographie unter dem Hashtag THE1challenge in die Weiten der Kurzvideo-Gemeinschaft hinaus. Verwunderlich dabei ist, dass Fans besagter Influencer im Schnitt so jung sind, dass der Besitz eines Autos vermutlich noch keine Rolle spielt. Darum geht es BMW in erster Linie aber auch nicht. Sie versprechen sich von der Kampagne vielmehr, Brand Awareness bei den jungen Autokäufern in Spe herzustellen. Damit die neue 1er-Reihe im Kopf bleibt, fordern FalcoPunch und Co. ihre Follower heraus, unter #THE1challenge ihre eigene Interpretation der Choreographie zu teilen.

Und es funktioniert: Mehr als 6,5 Millionen Beiträge wurden bereits unter dem von BMW initiierten Hashtag hochgeladen. Dass der Plan einer Challenge aufgeht, war jedoch zu vermuten, schließlich lebt TikTok von den Herausforderungen tänzerischer, pantomimischer oder wie auch immer gearteter Herausforderungen. Eine Auflistung der erfolgreichsten Trends und Challenges zeigt Lead Digital. So vereinten Challenges wie #LemonsForLeukemia, #RainDropChallenge oder #Stairshuffle Millionen von Nutzern unter sich, alle mit dem Ziel, Teil einer Gemeinschaft zu sein oder sich mit ihren Videos gegenseitig zu übertrumpfen und der/die erste mit den meisten Klicks und Likes zu sein.
Für Unternehmen bedeutet das: Sind die Challenges gut gemacht, könnte TikTok zu einem geeigneten Kommunikationskanal für Marken werden, die ihre jüngere Zielgruppe auf digitalem Weg und in nur wenigen Sekunden erreichen wollen. Seit 2019 hat TikTok zudem damit begonnen, aktiv Werbevermarktungen anzubieten.

Unternehmen sollten aber nicht nur die Werbetrommel drehen, sondern auch Verantwortung übernehmen: Die Nutzungszahlen sozialer Netzwerke leiten immer wieder zu Diskussionen über Themen wie Abhängigkeit und Sucht. Aus psychologischer Sicht ist es schließlich längst kein Geheimnis mehr, dass soziale Medien so konzipiert werden, dass Nutzer immer weiter klicken und scrollen, aus Angst, etwas zu verpassen und somit nicht mehr dazuzugehören. Doch nicht jede häufige Nutzung mündet gleich in einer Abhängigkeit, der Grad dazwischen kann aber sehr schmal sein. Natürlich können Unternehmen keine Verantwortung für die Nutzungshäufigkeit und -dauer sozialer Medien übernehmen. Aus Perspektive der Corporate Social Responsibility aber, womit sich die meisten Unternehmen u.a. für ein verantwortungsbewusstes, soziales Handeln für die Gesellschaft positionieren, sollte die Überlegung, wie sinnhaft eine Werbekampagne in sozialen Netzwerken ist, definitiv auf der Agenda stehen.