Somebody’s WATCHing you

Sie messen, zählen und tracken, was das Zeug hält: Sogenannte Wearables, also kleine digitale Systeme, die in Alltagsgegenstände eingebettet sind. Das sind zum Beispiel Fitness- bzw. Smartwatches, die schon an so einigen Handgelenken dieser Welt ein neues Zuhause gefunden haben. Die kleinen Computer können viel mehr als nur die Uhrzeit anzuzeigen. Sie beobachten unsere täglich gelaufenen Schritte, die erklommenen Etagen oder die Minuten, in denen sich der User im Tiefschlaf befindet. Und das ist mittlerweile längst nicht mehr alles: Wearables können sich virtuell mit der Umgebung verknüpfen. Beispiel: Wenn eine Stadt Daten zur Feinstaubbelastung per Webservice zur Verfügung stellt, könnten Asthmatiker gewarnt werden, um einem Asthmaanfall vorzubeugen.

Spannend ist vor allem der Blick auf die Auswirkungen in der Gesundheitsbranche. Einige Hersteller bieten in ihren Smartwatches mittlerweile zahlreiche Funktionen zur Überwachung der Gesundheit an. Eine EKG Aufzeichnung soll beispielsweise Vorhofflimmern erkennen, Pulssensoren messen die Sauerstoffsättigung und Blutdruck- und Blutzucker werden kontrolliert. Letzteres können mittlerweile auch Smart-Kontaktlinsen, die die Blutzuckerwerte mithilfe der Tränenflüssigkeit messen. Und sogar Tätowierungen tragen neuerdings zum healthy Lifestyle bei. In Colorado haben Wissenschaftler Tattoos entwickelt, die sich bei zu viel UV-Strahlung verfärben und die die Sonnenanbeter vor Sonnenbrand warnen. Bis zum nächsten Schritt – einer in die Haut eintätowierte Sonnencreme – kann es nicht mehr lange dauern.

Aus medizinischer Sicht können all diese Funktionen eine Erleichterung darstellen. Es mag gerade für Personen mit medizinischen Beschwerden hilfreich sein oder auch für Leistungssportler einen erheblichen Mehrwert bieten, jederzeit und überall Zugriff auf die Daten zu haben. Den Otto-Normalverbraucher animiert ein Fitnesstracker möglicherweise, abends doch nochmal eine Runde um den Block zu laufen oder endlich mal wieder dem Fitnessstudio einen Besuch abzustatten. Das zeigt auch eine aktuelle Studie: Während vor zwei Jahren nur 18 Prozent ein Smartphone oder Tablet für die digitale Gesundheit nutzten, sind es mittlerweile bereits 27 Prozent. Jeder fünfte Nichtnutzer plant, in den kommenden 12 Monaten einen smarten Begleiter anzuschaffen.

Für Krankenkassen und Versicherungen werden Wearables ebenfalls immer interessanter. So bezuschusst eine Krankenkasse derzeit bereits den Kauf eines Fitnesstrackers mit 40 % und freut sich über den Daten-Upload, um den Nutzern im Gegenzug Bonuspunkte gutzuschreiben, die an anderer Stelle eingelöst werden können. In Deutschland besteht zwar aufgrund des Solidaritätsprinzips bei den gesetzlichen Versicherungen noch nicht die Gefahr, dass der sportbegeisterte Wearable-Träger einen anderen Tarif angeboten bekommt als die gemütliche Couch-Potato mit analoger Uhr. Dennoch stehen Datenschützer der Jagd auf die digitalen Gesundheitsdaten kritisch gegenüber. Denn was passiert eigentlich mit den ganzen Werten, die der kleine Alleskönner unterwegs so sammelt? Es besteht die Möglichkeit, dass diese für Analyse- und Werbezwecke kommerzialisiert werden. Datenschützer warnen: Selten wird von den Wearable-Anbietern die explizite Einwilligung zur Nutzung und Weitergabe der Anwenderdaten eingeholt oder der Nutzer darüber informiert, was mit seinen personenbezogenen Daten passiert.

Hinzu kommt, dass blindes Vertrauen in Technik auch immer Risiken birgt. Was passiert in einer Welt, in der eine eigentlich kerngesunde Person mit einem digital angezeigten Bluthochdruck in die Notaufnahme rennt, weil seine Smartwatch anzeigt, dass er kurz vorm Herzinfarkt steht? Oder wenn die Uhr anzeigt, dass man eine Strecke zum Bäcker in Schallgeschwindigkeit gelaufen ist und sich deswegen beste Chancen für den nächsten Marathon ausrechnet – nur, weil die Technik die Wahrnehmung verzerrt? Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen Wearables auf den Alltag der Mehrheit, aber auch auf unser Gesundheitssystem haben. Oder wie Einstein sagte: „Ich fürchte mich vor dem Tag, an dem die Technologie unsere Menschlichkeit übertrifft. Auf der Welt wird es nur noch eine Generation aus Idioten geben.“ Ob er damit Recht behält?