Staycation oder der neue Boom vom heimischen Urlaub

Die Deutschen lieben das Reisen, manche bezeichnen uns sogar als „Reiseweltmeister“. Was das in Zahlen bedeutet? Im letzten Jahr waren sage und schreibe 55 Millionen Bundesbürger mindestens fünf Tage lang verreist. Drei Viertel davon machten ihren Urlaub im Ausland. Doch in diesem Jahr ist alles anders. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitut Civey für Business Insider wird jeder Dritte dieses Jahr seinen Urlaub in Deutschland verbringen, rund 20 Prozent bleiben daheim und fast genauso viele planen überhaupt keinen Urlaub. Solch ein Reiseverhalten gab es seit Jahrzehnten nicht mehr. Nordsee statt Karibik, Balkonien statt Italien und Wohnmobil statt Hotel.

Es ist natürlich kein Wunder, dass wir in diesem Jahr lieber im eigenen Land bleiben. Aufgrund der verlängerten weltweiten Reisewarnung bis Ende August sind lange Fernreisen weniger im Rennen. Im Ernstfall droht nach der Rückkehr sogar Quarantäne. Innerhalb der EU ist die Situation entspannter, denn seit dem 15. Juni wurde die von der Bundesregierung verhängte Reisewarnung für 31 europäische Staaten aufgehoben. Aber: Die Urlaubsbuchungen sind zögerlich und vorsichtig. Das gilt besonders für unsere Lieblingsziele Spanien und Italien. Die Gesamtzahl der Pauschalreise-Buchungen liegt derzeit bei nur einem Viertel des Vorjahres, wie der Deutsche Reiseverband mitteilte. Das kann an den strengen Sicherheitsauflagen im Ausland liegen oder daran, dass die Deutschen in diesem Jahr aus Sorge lieber im eigenen Land bleiben. Zumindest scheint ein Urlaub in Deutschland am wenigsten gefährlich. Auch der Hamburger Virologe Jonas Schmidt-Chanasit rät im Deutschlandfunk zum Urlaub in Deutschland, denn hier besteht eine wesentlich höhere Sicherheit und ein gutes Gesundheitssystem, falls eine Infektion auftrete.

Aber sind das die einzigen Gründe oder bemerken wir gerade wieder, wie schön unser Land eigentlich ist? Wie normal war das früher, mit der gesamten Familie mit dem Auto zu verreisen und dann auf dem Campingplatz oder in der Ferienwohnung zu verweilen. Schließlich ist Deutschland extrem vielfältig: Strand, Meer, Berge, Seen – die Liste kann man unendlich fortführen. Bereits in den vergangenen Jahren war Deutschland bei etwa einem Drittel der Bundesbürger vor Spanien beliebtestes Urlaubsziel. Inlandstourismus steht bei den Deutschen an erster Stelle und steigt gerade auf der Beliebtheitsskala. Die Nord- und Ostsee sowie die bayrischen Voralpen erleben einen regelrechten Urlaubsboom. Das ist auch bitter nötig, denn bei den Gästeübernachtungen hat das Statistische Bundesamt für die ersten fünf Monate ein Minus von knapp 75 Prozent ermittelt. Das lässt sich in nur einem Sommer allerdings noch nicht ausgleichen. Zumal die internationalen Touristen im Landesinneren noch rar sind. Dort tummeln sich normalerweise Amerikaner und Asiaten aber auch Niederländer und Schweizer – sie werden in diesem Jahr vermutlich komplett fehlen. Dies trifft auch die Städte, denn durch den Wegfall von Messen, Tagungen und Kongressen leiden Hotels und Gastronomie stark.

Wo es hingegen voll wird: auf Campingplätzen. Der Trend zum autarken Urlaub hat sich weiterhin verstärkt. Laut Kraftfahrtbundesamt gingen die Zulassungszahlen von allen Fahrzeugklassen im Juni deutlich zurück. Nur eine verzeichnet einen Zuwachs von 62 Prozent: Wohnmobile. Nicht nur Neufahrzeuge werden den Händlern regelrecht aus den Händen gerissen auch die Nachfrage nach Gebraucht- und Mietfahrzeugen ist stark gestiegen, so der Caravaning Industrie Verband e.V. (CIVD). Besonders die junge Zielgruppe bis 40 Jahre bevorzugt das Reisemobil für den nächsten Urlaub. Egal, ob mit Kindern oder ohne, mit Freunden oder allein. Ein Urlaub auf dem Campingplatz hat für alle etwas zu bieten und lässt uns die Schönheit unseres Landes entdecken. Strandfeeling an Nord- und Ostsee, kein Problem. Idyllische Ruhe in den Bergen, kein Problem. Sightseeing in einer von hunderten Städten, kein Problem.

Bleibt zum Schluss nur noch die Frage, ob sich unsere Reisegewohnheiten nachhaltig verändern werden? Vor allem junge Menschen wird es auch weiterhin in die weite Welt ziehen. Aber viele werden die Vorteile am heimischen Urlaub durchaus zu schätzen wissen. Wenn, ja wenn, das Wetter mitspielt und wir nicht bei Regen sowie kalten Temperaturen auf dem Campingplatz oder in der Ferienwohnung sitzen. Eine Schön-Wetter-Garantie gibt es leider nicht, aber das gilt ja nicht nur für Deutschland. Und daher: Einen schönen Urlaub!